Enrico Castellani

© Lothar Wolleh Estate, Berlin / Foto: Lothar Wolleh

Mit einer regelmäßigen, geometrischen Anordnung von Haselnüssen, über die eine monochrome Leinwand gespannt wurde, legt Enrico Castellani 1959 die basalen Elemente der Werkserie Superficie [Oberfläche 9 fest und löst sich von seinem tachistischen Frühwerk. Die neue Malerei soll nicht durch Farbe und Pinsel, sondern durch die Modulation des Lichts entstehen, das durch die Erhebungen und Vertiefungen der Leinwand ein geometrisches Chiaroscuro entwickelt. Die Nüsse ersetzt Castellani schließlich durch senkrecht zur Leinwandoberfläche stehende Nägel. Mit ihrer Struktur, den gespannten Oberflächen und Modulationen des Lichts experimentiert er mit verschiedenen Materialien, Texturen, Farben und räumlichen Anordnungen. Zusammen mit Piero Manzoni gründet Castellani 1959 in Mailand die Galleria Azimut und Zeitschrift Azimuth (geschrieben als AZIMUT|H), um Werke sowie Künstler und Künstlerinnen eines neuen Kunstbegriffs zu präsentieren, die in der Dialektik von Kontinuität und Innovation arbeiten. In ihrem nur einjährigen Bestehen richtet die Galerie 13 Ausstellungen aus, darunter Castellanis erste Einzelausstellung, die Gruppenausstellung „La nuova concezione artistica“ und eine Schau des Düsseldorfer ZERO-Künstlers Heinz Mack. Die Superficie Bianca aus dem Jahr 1970 widerspiegelt Castellanis Konzept der „Konkretheit des Unendlichen“, an dem er sein gesamtes künstlerisches Schaffen arbeitet. Durch die exponentielle Erweiterung der Abstände von zwei senkrechten Reihen von 9 und 7 Nägeln, die abwechselnd mit Leinwand überspannt sind und durch die Leinwand geschlagen wurden, entsteht die Anmutung zweier konkurrierender Bildbereiche. Ein glattes Dreieck scheint sich in die rhythmische Nagelebene zu schieben und diese in ein unendliches, imaginäres Feld hineinzuziehen. 

Ulrike Pennewitz

 

In der Ausstellung:

Enrico Castellani
Superficie Bianca, 1970
Öl auf profilierter Leinwand
151 x 177 x 16 cm
Privatsammlung, Courtesy Axel Vervoordt Gallery