Katharina Fritsch

Als Katharina Fritsch 1987 im Rahmen der Skulptur Projekte Münster ihre monochrome gelbe Madonnenfigur in der Münsteraner Innenstadt zwischen Kirche und Konsumtempeln ausstellte, brach sie einige Tabus in der streng katholischen Friedensstadt. Die Madonna wurde nicht individualisiert, sondern typisiert und standardisiert wie ein Souvenirartikel und in Lebensgröße monumentalisiert. Mit präzis gesetzter Ambivalenz zwischen Religion und Konsum, Kitsch und Kunst, letztendlich zwischen Frömmigkeit und Scheinheiligkeit entwickelte die Madonnenfigur ihre eigene Aura und erwirkte bei den Passanten und Passantinnen Verehrung und Protest.

Katharina Fritsch denkt in Bildern und verfügt über ein sehr breites Repertoire an Motiven aus Flora, Fauna, Geschichte, Alltag und einer mannigfaltigen Objektwelt. Ihre „skulpturalen“ Bilder entstehen über aufwendige Abgüsse, an deren Herstellungsprozess sie vielmehr deren Dreidimensionalität als die Gesetzmäßigkeiten der Skulptur interessiert. Die höchst irritierende Inszenierung ihrer Werke durch serielle Setzungen (Tischgesellschaft, 1988), Monumentalisierung (Rattenkönig, 1993) oder Miniaturisierung (Warengestell, 1979–1984), durch das Zusammenspiel von menschlichen Charakteristika oder abartigen Zusammensetzungen menschlicher Körper meist monochromer Farbgebung machen ihre skulpturalen Bilder einzigartig. Die bedeutendste Rolle im Herstellungsprozess spielt die Oberflächenbearbeitung, sprich die Anstriche mit Farbe. Die matte Beschaffenheit der monochromen Oberfläche verhindert die Spiegelung der Umgebung und verstärkt damit den Eindruck einer immateriellen und surrealen Erscheinung.

Mönch (1999), Doktor (1999) und Händler (2001) bilden eine kleine Gruppe aus drei düsteren Gesellen, die ebenso stereotypisiert sind wie die Madonnenfigur und ins Groteske übersteigert wurden. Sie scheinen nach außen in sich zu ruhen, statisch aber fordernd gegenüber den Betrachtenden. In männlich stolzer Haltung demonstrieren sie vorherrschende und ambivalente Machtstrukturen, die es zu hinterfragen gilt: Der monochrom weiße Arzt, der Heilung in Aussicht stellt, erscheint als verhängnisvoller Todesbote mit Schädel und Arztkittel, der schwarz monochrome Mönch bringt eher Scheinheiligkeit als Seelenheil und der rote Dealer verkauft wohl alles außer Gutes. 

Anke Hervol

 

In der Ausstellung:

Katharina Fritsch
Doktor, 1997–99
Polyester und Farbe
177,8 x 58,42 x 43,18 cm
Olbricht Collection

 

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