Piero Manzoni

Fast die Hälfte seines Gesamtwerks widmete der italienische Konzeptkünstler Piero Manzoni der etwa 600 Werke umfassenden Gruppe der „unfarbigen“ Achromes. Durch den Auftrag von Gips und ab 1958 von in der Keramikherstellung verwendetem Kaolin ließ Manzoni auf Leinwänden zufällige Strukturen entstehen, die er durch Einritzungen, durch das Auftragen von Materialien wie Fell, Watte, Styropor, Seide, getünchten Brötchen oder auch durch Faltungen und Zusammensetzungen von Leinwandquadraten modulierte. Ganz ohne den Einfluss des Künstlers entstanden durch Trocknung bei unterschiedlichen hygrostatischen Verhältnissen Wellen, Knicke und Risse, die ein Bild jenseits von Symbolik oder Farbsemantik ergeben. Manzoni wollte mit den Achromes nicht nur das Handlungsfeld des künstlerischen Individuums entgrenzen, das er auf die Setzung von emblematischen Zeichen im Malakt eingeschränkt sah, sondern auch das Bild als Behälter mit unbegrenzten, unendlichen Möglichkeiten vorführen. Zusammen mit Enrico Castellani gründete Manzoni im Dezember 1959 in Mailand die Galleria Azimut und die Zeitschrift Azimuth. 1960 veröffentlichte er in der zweiten Ausgabe seinen programmatischen Text Libera dimensione, mit dem er eine Bewegung antitraditioneller Kunst in Italien initiierte. Hierin postulierte er: „Es geht nicht darum zu formen, es geht nicht darum Botschaften zu artikulieren […]; sind sie etwa nicht Ausdruck, Fantasiegebilde, Abstrahierungen, leere Vorspielungen? Es gibt nichts zu sagen, es gibt nur zu sein, es gibt nur zu leben.“1

Ulrike Pennewitz

 

1 Piero Manzoni, Freie Dimension [1960], zit. nach: Charles Harrison und Paul Wood, Kunsttheorie im 20. Jahrhundert (Deutsche Ausgabe), 2. Bde., Ostfildern-Ruit 2003, hier Bd. 2, S. 871.

 

In der Ausstellung:

Piero Manzoni
Achrome, 1958
Kaolin auf Leinwand 
51,5 × 41 cm
Museum Ulm

 

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