Trisha Brown

Als ich 1983 im Auftrag der Brooklyn Academy of Music mit der Arbeit an Set and Reset begann, wusste ich nur, dass Laurie Anderson die Musik dazu komponieren und ich eine Solofassung von Walking on the Wall (1971) als Teil des neuen Stückes anbauen würde. Ich wollte meinen eigenen choreografischen Hintergrund als Grundlage des Tanzes nutzen. In Walking on the Wall hingen sechs Tänzer mit Gurten und Drahtseilen an einem an der Decke befestigten Transportsystem. Sie konnten damit, im rechten Winkel zur Wand gehalten, gehen, laufen oder einfach nur ruhig dastehen. Bei Set and Reset haben wir auf diese aufwendige Apparatur verzichtet. Stattdessen tragen wir zu Beginn der Choreografie eine einzelne gehende Figur (Diane Madden) von einem Ende der Bühne zum anderen und laufen mit ihr kurz um eines der „Hosenbeine“ herum – die Stoffbahnen, die die Seitenkulissen bilden –, bevor wir abgehen. 

In diesem Stadium kam Bob [Rauschenberg] dazu, und sein erster Vorschlag war – noch bevor ich ihm meine choreografischen Vorstellungen dargelegt hatte –, mit einem lebenden Bühnenbild zu arbeiten. Das Stück sollte nach der Uraufführung in New York noch in anderen Städten in den USA gezeigt werden, und Bob meinte, wir sollten uns bei jedem Halt auf der Tournee fünf oder sechs Leute suchen und mit ihnen bestimmte Handlungs- und Bewegungsabläufe einstudieren, die sie in dem Korridor zwischen der hinteren Lichtgrenze und der Bühnenrückwand ausführen würden. Das war genau der Bereich, in dem Diane und ihre Träger sich bewegten. Diese etwas unheimliche Übereinstimmung von unabhängig voneinander entstandenen Ideen – mein Einsatz der Tänzer als Hintergrund und seine Vorstellung von einer Live-Handlung als Bühnenbild – kommt in unserer Zusammenarbeit häufig vor.

Der Gedanke des lebenden Bühnenbilds war – typisch für Bob – einer pragmatischen Erwägung entsprungen: Die Truppe solle ohne viel Ballast herumfahren können. Keine Kulissen, keine Beförderungskosten. Das Honorar für sechs Darsteller würde nur einen Bruchteil dieser Kosten ausmachen. Und noch ein anderer Wesenszug von ihm wird darin deutlich: Er möchte mitspielen. Er hat das einmal so ausgedrückt: „Wenn der Tanz sich bewegt, will ich mich auch bewegen.“ Alle Bühnenbilder Bobs für meine Truppe sind beweglich (bis auf das für If you couldn’t see me).

Für den nächsten Teil von Set and Reset choreografierte ich ohne Bobs Wissen eine Phrase, die den äußeren Umriss der Bühne nachzeichnen sollte. Ich wollte diese Phrase als eine Art Förderband benutzen, um von da aus kleine Solos, Duette, Trios und so weiter in die Mitte der Bühne zu bringen. Das ist kein sehr gängiges Verfahren. Die erste choreografische Sequenz entlang der linken Seite der Bühne gelang, doch am vorderen Rand der Bühne blieb ich auf halbem Wege stecken, stieß mehrmals sanft gegen das Hindernis und fiel zurück, bevor ich es von Neuem versuchte. Panik. Um des Drachen Widerstand gegen meinen Plan nicht noch mehr zu reizen, versuchte ich die Situation zu entschärfen, indem ich mir sagte: „Es ist schon in Ordnung. Bleib ruhig. Auch du wirst hier durchkommen.“ Und ich habe es schließlich geschafft.

Bei unseren gemeinsamen Projekten war ich eine Art Blitzableiter für Bobs Bühneneinfälle. Er beschrieb sie mir, wie sie ihm gerade in den Sinn kamen, wozu er mich oft mitten in der Nacht anrief. Ich malte mir dann meinerseits das Beschriebene aus und entwickelte meine Choreografien zum Teil anhand der räumlichen Vorstellung des von ihm beschriebenen Bühnenbilds. Jeder Entwurf wurde wie in einer großangelegten Prozession von visuellen Ideen immer wieder durch einen neuen ersetzt, bis Bob bei einer der Proben zusah. An diesem Punkt wurde dann – als Ergebnis all dessen, wozu er mehr durch Vision als durch Inaugenscheinnahme gelangt war – die endgültige Gestalt festgelegt. […]
Aus Bobs Kostümentwürfen für Set and Reset ging eine neue Werkgruppe hervor, der er den Seriennamen Salvage (1983–1985) [gab]. Dazu hat er erklärt: „Als ich den Stoff für die Kostüme im Siebdruckverfahren bedruckte – mit Aufnahmen von architektonischen Details, die ich in den Straßen von New York gemacht hatte –, mussten wir irgendetwas unterlegen, um die überschüssige Druckfarbe aufzufangen. Die zufälligen Kompositionen, die bei dem Vorgang entstanden, brachten mich auf die Idee, hierfür Leinwand zu nehmen. Wir taten es, und das Ergebnis gefiel mir. Heraus kam eine interessante Rohform. Sie hat sich dann weiterentwickelt zu dem, was als die neueste Richtung innerhalb meiner Arbeit gelten kann.“

Aus: Trisha Brown, Kooperation. Leben und Tod im Reich des Ästhetischen, in: Walter Hopps, Susan Davidson (Hg.), Robert Rauschenberg. Retrospektive (Ausst.-Kat. Guggenheim Museum New York u. a.), Ostfildern 1998, S. 268–275, hier S. 270–272.

 

In der Ausstellung:

Trisha Brown
Set and Reset, Version 1, 1985
Kostüme: Robert Rauschenberg
Musik: Laurie Anderson
Licht: Beverly Emmons
Tänzer*innen: Trisha Brown, Iréne Hultman, Eva Karczag, Diane Madden, Stephen Petronio, Randy Warshaw und Vicky Shick
Produktion und Regie: Susan Dowling for WGBH New Television Workshop
Videoaufnahmen: James Byrn
© Trisha Brown Dance Company